2021/03/22

von Dr. Markus Griesbeck

In einer Sichtweise Anfang dieses Jahrs habe ich folgende These aufgestellt: Die Wirksamkeit von Führungskräften lässt sich messen. Mit dieser Behauptung verbinden insbesondere naturwissenschaftlich ausgebildete Menschen die Hoffnung, dass man präzise, valide und nachprüfbar das Verhalten und das Handeln von Managern bewerten kann.

Allerdings: Die Herausforderung besteht darin, ein gemeinsames Verständnis für die Begriffe „prüfen“, „bewerten“, „messen“ und „beurteilen“ zu entwickeln. Aus meiner Erfahrung in der Diskussion mit gestandenen Führungskräften erkläre ich das für schlicht nicht lösbar.

Trotzdem sehe ich eine realistische Chance dafür, das Verhalten und Handeln von Managern einer kritischen Prüfung zu unterziehen: Handelt die in Augenschein genommene Führungskraft effektiv und effizient? Werden die notwendigen Aufgaben eines Managers erfüllt: a) die Organisation sachgerecht gesteuert und entwickelt, b) die Menschen wertschätzend und ergebnisorientiert geführt und c) die notwendige und hinreichende finanzielle Führung inkl. Compliance umgesetzt?

Bei allem muss man berücksichtigen, dass in (sozialen) Medien durch meist unerfahrene Journalisten und Meinungsträger Bewertungsschemata konstruiert werden, die in den wenigsten Fällen der tatsächlichen Realität entsprechen.[1] Beispielsweise gibt es die Meinung, die Leistungsfähigkeit eines obersten Managers könne man am Börsenkurs, an der Umsatzsteigerung in einem Zeitraum X, an der Profitabilität Y oder an der Gewinnsteigerung Z ablesen. Oder es kursieren Meinungen, die Ergebnisqualität einer Führungskraft hänge allein oder in wesentlichen Teilen (!) von sozialen Faktoren ab. 

Trefflich lässt sich darüber streiten: Wie legt man den (inhaltlichen) Bewertungsmaßstab der wirksamen Führung fest[2]? Welche Inhalte sind es genau, die man zu beobachten, zu prüfen und zu bewerten hat? Und schließlich: WIE prüft, bewertet, misst und beurteilt man die Inhalte und Kriterien des Handelns und der Ergebnisse von Führungskräften?

Mein Vorschlag hierzu:

  1. Zuerst muss sich der Personenkreis, der die Prüfung in Auftrag gibt, GEMEINSAM im Klaren darüber sein, WAS und WIE beurteilt und bewertet wird. Auch wenn es in Literatur und Praxis ein paar wert-volle Ansätze der Management-Beurteilung gibt, so helfen diese nicht weiter, wenn dieser Personenkreis unterschiedlicher Auffassung über den Prüfungs- und Beurteilungsmaßstab ist.
  2. Der verabschiedete Prüf- und Bewertungsstandard ist im Anschluss den zu prüfenden Personen transparent zu machen. Sie dürfen und müssen wissen, WARUM und WIE ihr Verhalten, ihr Handeln und ihre Ergebnisse geprüft und bewertet werden.
  3. Eine solche Prüfung und Bewertung durch Dritte MUSS durch erfahrenste Praktiker erfolgen. Praktiker bedeutet: Nur, wer selbst die Führungspraxis aus unmittelbarer Erfahrung und tiefem Verständnis heraus gemacht hat, wird auch in der Lage sein, diese Prüfung und Bewertung sach- und menschengerecht durchzuführen.
  4. Schließlich sollte von Anfang an klar sein: Jedes Prüf- und Bewertungsergebnis hat Konsequenzen. Und hier sollte die GANZE Bandbreite der Möglichkeiten in Betracht gezogen werden können: Kritikgespräche, Coaching, Training, Unterstützungsangebote, Mentoring, Bonifikation, Beförderung, arbeitsrechtliche Schritte, und, und, und, bis hin zur Entlassung der geprüften/bewerteten Person.

Und warum sollte man das Ganze überhaupt machen? Machen wir einen Vergleich: Auch ein Auto wird alle zwei Jahre durch den TÜV auf Fahrtauglichkeit geprüft und bewertet. Im medizinischen Bereich macht man selbstverständlich alle paar Jahre einen entsprechenden Gesundheitscheck. Warum sollte man also die Arbeit von Führungskräften nicht auch von Zeit zu Zeit einer kritischen Bestandsprüfung unterziehen?

Diese Sichtweise macht auch deutlich: Unterm Strich ist es egal, welches Geschlecht, welche Hautfarbe, welche Religion, welche Nationalität usw. eine Führungskraft hat. Im Vordergrund muss die Wirksamkeit, Professionalität und die Ergebnisse stehen. Und deshalb erübrigen sich so manche (Schein-) Diskussionen in diese Richtung.

Das Ergebnis solcher revolvierenden Prozesse – wenn man sie gut einführt und ernstnimmt, ist eine Führungskultur, in der die meisten Führungskräfte gerne arbeiten: Sie wissen, woran sie dran sind, wie sie gesehen und bewertet werden und letztlich wird sich automatisch eine stetige Weiterentwicklung der Führungsarbeit damit ergeben.

Literaturtipp:
Markus Griesbeck: Management. Die Essenz. Erschienen im Handelsblatt Fachmedien Verlag.

[1] Ich mache das den Journalisten und Meinungsträgern nur indirekt zum Vorwurf, aber sie müssen sich vor Augen halten lassen, dass sie in der Regel keine Führungserfahrung haben und trotzdem über ein Thema schreiben, von dem sie schlicht zu wenig wissen..

[2] Ich selbst habe gute Erfahrungen damit gemacht, Führungskräfte anhand der Ergebnisse der sechs Schlüsselgrößen für gesunde Unternehmen (Markstellung, Innovationsleistung, Produktivitäten, Attraktivität für richtige und gute Leute, Liquidität und Profitablität) SOWIE einer Bewertung der Wirksamkeit/Professionalität der eingesetzten Methoden, Instrumente und Werkzeuge zu machen. Für mich gibt es kein EINDEUTIGES Schema, sondern ich passe das auf Kontext, Situation der Organisation und Individualität der zu bewerteten Person an. Beispielsweise ist ein CFO eines mittelständischen Industrieunternehmens, das sich im Krisenmodus befindet, anders zu bewerten als der Teamleiter eines kleinen Callcenters, das gerade wächst.