2020/12/16

von Kai von Rappard

High Performance Teams – was sie tun und wie sie entstehen

In Biografien grosser Firmenführer wie auch in einschlägigen Managementratgebern werden immer das Team und mit ihm der gewachsene Teamgeist zelebriert. Das Team scheint die Allzweckwaffe für jede Form von Problemlösung zu sein, eine Quelle der Kreativität, ein paradiesischer Raum hierarchiefreier Zusammenarbeit, in dem Entscheidungen rasch und pragmatisch gefällt werden. Allerdings besteht auch der Verdacht, dass der Begriff «Teamwork» so beliebt ist, weil sich in ihn so ziemlich alles rein projizieren lässt, je nachdem welche Perspektive man einnimmt. Fragt man nach, was ein starkes Team ausmacht, so ist man sich am Schluss oft wenig schlauer, aber man hat je nach Aussage und Fantasie ein klares Bild vom jeweiligen Menschen. Konzern-Pamphlete wie «Wir sind ein Team» oder nur schon Gruppengrössen von 50 oder 100 Personen als Team zu bezeichnen, ist wenig hilfreich und nützlich. Wenn die Möglichkeit zu direkter Kommunikation und laufendem Austausch zwischen den Mitgliedern nicht besteht, muss die Koordination der Handlungen über formelle Rollenbeschreibungen, Regeln und Prozesse definiert werden. Damit haben wir Strukturen, aber kein Team.

Teams hingegen weisen ein hohes Mass an Selbstorganisation auf. Auch sie brauchen Spielregeln, aber meist entstehen diese nicht formell, sondern eher zufällig im täglichen Miteinander. Sie lassen sich auch nicht auf lange Zeit beschliessen, sondern entwickeln sich entlang einer evolutionären Logik. Teammitglieder haben ein definiertes (grosses) gemeinsames Ziel und sie durchleben eine gemeinsame Geschichte. Es wachsen persönliche Beziehungen, welche nicht primär durch definierte Rollenbeziehungen bestimmt sind. Sie sind in gewisser Weise fast schon privater Natur und man hilft sich in allen Bereichen, auch denen, die weit über die Arbeit hinausgehen. Die Vermischung von Arbeits- und Lebensbereichen kann den Teamgeist befeuern, aber genauso zu Problemen führen. Emotionalität als Konsequenz von gemeinsamen Erlebnissen und Erfolgen ist sowohl eine Stärke wie auch ein Risiko für das Team. Hiervon hängt es massgeblich ab, ob das Team funktioniert oder eben nicht. Die unmittelbare Nähe zueinander hat grossen Einfluss auf ein paar wichtige wie auch heikle Ideen des Teambuildings. Die Gleichberechtigung als Idee von «wir sind alle gleich» spielt eine wichtige Rolle, führt jedoch ganz schnell in Schwierigkeiten. Erstens bestehen in Organisationen nahezu immer Hierarchien und zweitens lebt der Gedanke «Team» ja gerade von der Ungleichheit. Wenn alle gleich wären und über dieselben Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen würden, wäre deren Verbindung ja die maximale Ineffizienz. Das Team schafft gerade wegen seiner Ungleichheit einen Mehrwert, indem unterschiedliche Kompetenzen und Meinungen zusammenkommen, um etwas zu kreieren, was die Möglichkeiten des Einzelnen übersteigt. Ungleichheit ist folglich nicht ein Problem, sondern die Voraussetzung für das Team und seinen Erfolg. Weil der Anspruch nach Gleichberechtigung ein menschlich verständlicher ist und sich die Ungleichheiten in der Dynamik der Aufgaben laufend verschieben können, entsteht ein ständiger Aushandlungsprozess um Wichtigkeit, Macht und Anerkennung. Das High Performance Team unterscheidet sich vom «normalen» Team dadurch, dass es diese Dimension ständig beobachtet und ausbalanciert. Das Potenzial für Konflikte ist immer da und die Option eines Scheiterns ist immer auch gegeben. Konflikte auszutragen ist oft hilfreich, aber natürlich nicht in jedem Fall sinnvoll. So ist es in der unmittelbaren Krisensituation bei höchster Bedrohung ratsam, die gemeinsamen Interessen zu betonen und individuelle Sichtweisen zurückzustellen. Über das hinaus sind Konflikte eine intensive Form der Beziehungsgestaltung und ihr Ausgang ist oft ungewiss. Diese Anstrengung wird in vielen Teams vermieden und im Dienste einer zutraulichen Harmonie einigt man sich lieber auf durchschnittliche Performance als dass man zu viel Risiko eingehen möchte.

 

High Performance Teams – was macht den Unterschied?

In High Performance Teams sind Konflikte ein wichtiger Teil des Programms, und jeder weiss, dass es der Mannschaft hilft, wenn alle jeden Tag ein bisschen besser werden. Was besser heisst, wird im täglichen Kräftemessen ausgemacht und dabei lernt man sich untereinander kennen und respektieren. Dieser gegenseitige Respekt macht die gewünschte Gleichheit zur Grundlage einer Beziehung, in der alle Beteiligten gute Wertschätzung erfahren. Sport eignet sich als Metapher, weil wir alle uns darin auskennen und weil in diesem Metier die Rückmeldung zur eigenen Performance schnell und mit untrüglicher Klarheit kommt. Von den Sportgrössen – sei das beim Fussball, einer Seilschaft in extremis in den Bergen, einer Segelcrew (Alinghi war ein sensationelles Beispiel!) lernen wir, dass der Umgang mit dem Faktor Mensch den grossen Unterschied macht.

  • Für die Personalauswahl bedeutet das, dass man möglichst keine Kompromisse machen soll. Fachkompetenz ist das eine, wenn sie oder er aber einfach nicht passt, dann wir auch das beste Coaching nichts bewirken.
  • Einen Spagat gilt es bei der Frage nach Identität und Diversität zu machen. Wer die Besten will, kann nicht bei der Sprache oder an den Landesgrenzen halt machen. Allerdings sind der Aufbau einer gemeinsamen Zielsetzung und eines gemeinsamen Werteverständnis’ entscheidend für den Erfolg. Sie sind die Klammer, die alles zusammenhalten muss («Mia san mia»).
  • Der Einzelne hat immer die Chance dem Team seine Grenzen aufzuzeigen («das schwächste Glied» etc.). Natürlich gibt es wichtigere und weniger wichtige Darsteller, aber jeder verdient, dass seiner Performance Bedeutung gegeben wird. Wenn alle dazu ermuntert werden, noch besser zu werden, kann und soll das Team zum Helden werden.
  • Gerade wo nicht immer alles rund läuft, zeigt sich die Kraft des Vertrauens. Die Führungskraft beweist dann Mut, wenn sie trotz der eigenen Unsicherheit in der Lage bleibt, Vertrauen zu schenken und die Leute machen zu lassen.
  • Leistungssteigerung entsteht im Vergleich und ein gesunder Wettbewerb treibt jedes Team an, wenn er denn dem Team als Ganzes hilft. Wer gerade hinten ansteht, soll nicht in Resignation versinken, aber jeden Tag den anderen zeigen wollen, dass mit ihm unbedingt zu rechnen ist. Zweite Mannschaften sind wichtig, weil sie allen eine Plattform bieten, und weil sie denen in der ersten zeigen, dass die Luft da oben dünn ist.
  • Die Führungskraft ist verdammt dazu, Vorbild zu sein, ob sie will oder nicht. Damit setzt sie den Takt, im Guten wie im Schlechten, und sie weiss, dass sie für die Mitarbeitenden immer die wichtigste Bezugsperson ist. Wenn sie sich kleine Freiheiten herausnimmt, welche nicht im Interesse des Teams sind, läuft sie immer Gefahr, dass es kopiert und missbraucht wird.
  • Mit Mut getraut sich ein Team neue unkonventionelle Wege zu bestreiten und sein kreatives Potenzial anzuzapfen. Dazu gehört eine einladende Atmosphäre, welche Raum zu freiem Denken und für spassvolle Diskussionen bietet. Empfindung ist immer räumlich, und wer sich aus der Alltagsumgebung zurückzieht, kann sich zeitweise auch von den Alltagssorgen befreien.
  • Menschen sind auf ganz besondere Art und Weise unterschiedlich und sie bringen ihre sehr individuellen Neigungen und Präferenzen Diese Besonderheiten lassen ganz natürlich verschiedene Rollen wie Macher, Kümmerer, Antreiber, Kontrolleure etc. entstehen. Ein Organigramm hilft da nicht, denn hier sind es Rollen, die sich aus sich selbst heraus bilden. Abenteuer-Events sind dabei eher realitätsfremd; wirksame Entwicklung und Teamarbeit finden bei der Arbeit statt.
  • Auch direkte interne Kommunikation ist eine Sache von Mut, wenn sie denn richtig und engagiert angepackt wird. Es besteht immer noch der Verdacht, dass Informationen eine Bringschuld sind. Dahingegen hat sich bewährt, dass derjenige, der schlecht informiert ist, selbst verantwortlich für sein Wissensvakuum ist. In einem guten Team wird dafür Sorge getragen, dass Information zugänglich gemacht wird, beschaffen muss sie sich jedoch jeder selbst. Wertvoll ist auf jeden Fall das regelmässige und zeitnahe Feedback.

High Performance Teamradar – sich selbst den Spiegel vorhalten

Als Spiegel und Standortbestimmung für die eigene Teamarbeit hilft ein Radar, anhand dessen aus den verschiedenen Perspektiven die Klarheit und das Commitment in der Mannschaft überprüft wird. Für Top-Leistungen ergänzen und bedingen die beiden Faktoren einander, und es ist eine ganz normale Entwicklung, dass sie in der Alltagshektik erodieren und laufend nachgeschärft werden müssen. Ein Team ist in gewisser Weise wie eine Ehe, die nicht deshalb für immer funktioniert, weil vor langer Zeit einmal «Ja» gesagt wurde. Sie muss kontinuierlich revitalisiert werden, und man muss darüber sprechen, weil sie ansonsten bald nur noch auf dem Papier existiert. Mit dem High Performance Teamradar installiert das Team für sich ein Feedbacksystem, mit welchem es ganzheitlich seine Ergebnisorientierung, die Verantwortung, die Beiträge einzelner Teammitglieder, die Verbindlichkeit von Prozessen und Abläufen, den Teamgeist und seine Agilität reflektiert. Dazu werden der Zweckbezug und die Führungsstärke abgefragt, um daraus die besten Stellhebel für künftige Massnahmen abzuleiten. Da sich die Zukunftsfähigkeit des Teams nach aussen in den erzielten Ergebnissen und nach innen im aufgebauten Vertrauen manifestiert, sind auch diese Faktoren auf die Probe zu stellen. Damit wird sichergestellt, dass die Mannschaft zum einen den Bezug zur Realität wahrt, das heisst, gute Leistungen für seine externen und internen Kunden erbringt. Zum anderen werden intern frühzeitig die Themen angesprochen, welche einer Korrektur bedürfen. Vertrauen ist gelegentlich der Anfang von allem, wenn es aber aufgebraucht ist, ist alles zu Ende.